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Odem oder Künstliche Intelligenz?

Fotos Vortrag, Odem_KI FHW 20200214 (10)

Odem oder KI – der Geist, der uns verständig macht?

„Jedoch der Geist ist es in den Menschen, und der Odem des Allmächtigen, der sie verständig macht.“ (Hiob 32:8)
„Künstliche Intelligenz“ – ein neues Phänomen? KI- Fluch oder Segen? Ist Mensch intelligent genug, um über die Einführung künstlicher Intelligenz zu entscheiden?

Was ist künstlich an Intelligenz?

Neuerdings spricht die Welt von sogenannter „künstlicher Intelligenz“. Manche sehen darin die Befreiung von entfremdeter Arbeit durch dienstbare Humanoiden und den Einzug in das Land, wo Milch und Honig fließen. Andere dagegen sehen die Menschheit in Zukunft unter der Sklaverei der superintelligenten Cyborgs ein Leben als „Underdogs“ fristen. Deshalb lohnt es sich, den Begriff einmal genau zu betrachten. Was ist „künstlich“ an Intelligenz und ist das, was wir Intelligenz nennen überhaupt etwas, das der Mensch an sich selbst identifizieren, geschweige denn außerhalb seiner selbst „künstlich“ erzeugen kann? Davon scheinen ja diejenigen, die den Begriff verwenden, implizit auszugehen, ohne über ihr genaues Verständnis der Zusammenhänge sorgfältig Rechenschaft abzulegen.

Was verstehen wir unter Intelligenz?

Das Wort Intelligenz ist abgeleitet aus inter (zwischen) und legere (lesen). Im übertragenen Sinne heißt es also so viel wie, in der Lage sein „zwischen den Zeilen“ zu lesen. Da geht es also inhaltlich um etwas, was gerade durch Begriffe nicht erfasst werden kann – eine Art Deutungsfähigkeit für Phänomene, die auf einer assoziativen Beziehungsebene stattfinden. Begriffe sind ja nur eine Aneinanderreihung von Buchstaben, die eine Codierung bilden. Wenn der Code nicht mit einer In-Formation (einem bildlich-kontextualen, assoziativen Erlebnis) verbunden ist, die es dem Sender oder Empfänger erlaubt, ihn mit Hilfe seiner Wahrnehmungsorgane (Fühlen, Riechen, Schmecken, Freude, Leid, Schmerz etc.) zu decodieren, dann kann man weder „in“ noch „zwischen“ den Zeilen/Buchstaben etwas lesen.

Decodierung durch Beziehung

Die Decodierung ist eine Beziehungs- bzw. Erfahrungsebene, in der sich die Benennung durch Begriffe mit einem zwischenmenschlichen Erlebnis (z.B. Liebe bedeutet Zuwendung, streicheln, Wärme, Hingabe etc.) verbindet. Dieses verdichtet sich in der Zeit durch Wiederholung und Vergleich zu einem Bild/Wahrnehmungszusammenhang, der als Teil in einer Weltwirklichkeit (Ganzheit) verortbar wird. Die Decodierung muss erlernt werden, sodass durch mehrfache Wiederholung in unterschiedlichen Situationen bestätigt wird, dass die Deutung verlässlich ist (Validierung des Codes). Wenn das geschieht, gilt etwas als erlernt oder gewusst und wird im Bewusstsein abgespeichert. Man kann dann darüber verfügen und lernt, es auch selbst anzuwenden und auf diese Weise tradierte Codierungen für einen individuellen Lebenszusammenhang zu verändern oder zu erweitern und damit neue Kultur-Praktiken/Traditionen zu prägen.

Buchstaben sind ohne kontextuelle Erfahrung austauschbar

Es besteht keine Einigkeit darin, wie diese Codes interkulturell zu bestimmen und zu unterscheiden sind. Man kann ihr Zustandekommen interpretierend (an gewählten Kriterien) beschreiben, aber sie nicht im Sinne eines physikalischen Ursache-Wirkungsexperiments reproduzieren. Sie werden von früher Kindheit an in den Beziehungen jeder Kultur durch Tradition erlernt, verändert und weitergegeben. Man lernt durch Beziehung und Kontext. Ohne Beziehung und Kontext sind Begriffe austauschbar und bedeuten nichts als eine Aneinanderreihung von Zeichen.

Die Buchstaben können noch nicht einmal durch Sprache ausgedrückt werden. Wir können dies einfach nachvollziehen, wenn wir überlegen, was geschieht, wenn wir das Wort Liebe oder Hass hören. Wenn ich erlebe, wie meine Eltern mich bei dem Wort Hass liebevoll ansehen, streicheln und mir Zuwendung entgegenbringen, werde ich mit „Hass“ eine positive Erfahrung assoziieren und lernen, den Begriff für ähnliche Handlungen einzusetzen. So können wir die Inhalte von Begriffen umprogrammieren, je nach erlerntem Beziehungszusammenhang. Ohne die kontextuelle Erfahrung der Verwendung der Begriffe wären die Worte und Buchstaben also austauschbar. Wie ist das auf das Thema künstliche Intelligenz anzuwenden?

Autonomes Fahren – Wer entscheidet über Leben und Tod?

Elon Musk sagt kürzlich: „Wir müssen darüber entscheiden, ob wir in Zukunft einen Tesla mit dem Charakter Egoist oder Altruist bauen. Der Eine wird nur an sich selbst denken, der Andere wird eher das eigene Leben riskieren, um Kinder vor einem Unfall zu retten.“

Lassen sie uns das Beispiel vom autonomen Autofahren (die freiwillige Aufgabe auf selbstbestimmte Art und Weise von A nach B zu kommen) auf die übrigen Entscheidungen unseres Lebensweges ausdehnen und so tun, als ob das Beispiel in Zukunft die ganze Menschheit betrifft. Wir können uns gut vorstellen, wie „autonomes Leben“ dann ungefähr aussehen wird. Autonomes Einkaufen, autonome Fitness, autonome Medizin etc..  Bei allen Gefühlen, Regungen und Entscheidungen wird unsere Intuition, unsere ethisch-moralische und praktische Verantwortung für unseren Lebensweg durch KI ersetzt. Bevor wir auch nur eine Entscheidung oder Tat ins Auge fassen, wird der „Fahrassistent“ bereits erkennen, was die „bessere“ Entscheidung für uns ist und diese auch treffen.

Ist Intelligenz das, was den Menschen zum Menschen macht?

Macht künstliche Intelligenz die Maschine zu einem besseren Menschen? Noch ein paar Jahre und ein paar weitere Schritte in der reproduktiven Medizin und wir stehen auf einmal vor der Frage (oder auch nicht mehr…), sollen wir ein egoistisches oder ein empathisches Kind auf die Welt bringen. Ob es braune oder grüne Augen haben soll ist ja noch harmlos, aber dann kommt die Frage, soll es ein Mädchen oder ein Junge oder ein anderes Geschlecht aus den 60 (!) möglichen Genderklassifikationen von Facebook werden. Welche anderen („intelligenten“) Eigenschaften soll es haben? Was wird es erfolgreich machen, um in Krisen, Kriegen, Krankheit, Alter oder anderen Zukunftsrisiken bestehen zu können. Es wird immer ein weiterer, kleiner Schritt für die Wissenschaft sein, aber dann ist es plötzlich ein sehr großer Schritt für die Menschheit.

Frank H. Wilhelmi, Frankfurt am Main, den 11. September 2019

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